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Meetings ohne mich
Habe letztens ein paar alte Geschichten wieder entdeckt, diese hier und diese hier zum Beispiel.
Derzeit sitze ich sehr oft in Online Meetings (fest) und merke, dass meine Konzentration höchstens 90 Minuten anhält, alles danach ist nur eine zusätzliche Wolke an Informationen, die nicht in mein Gedächtnis durchwabern kann. Denn seit 45 Minuten denke ich vermehrt an Aperol Spritz und verstehe nicht mehr genau, was auf dem Bildschirm vor mir eigentlich abgeht. Alles wichtige habe ich mir notiert, aber mein Magen knurrt, meine Augen sind schwer und hinter meiner Stirn drückt es ähnlich wie in meiner Blase. Ich hatte vor dem Meeting schon 3 Stunden Seminare, habe mich also doppelt so lange konzentriert wie mir eigentlich möglich ist. Und das auf 3 Broten Nahrung, für mehr war weder Zeit noch Gelegenheit.
Nachdem ich im Meeting meine Nägel lackiert und die Übungen, die meine Physiotherapeutin mir gezeigt hat, gemacht habe, fing ich an, Mails zu beantworten und mir einen Plan für den morgigen Tag zu machen. Uni fällt aus, ich habe „nur“ eine recht gefüllt To Do Liste und eine dreckige Wohnung vor mir.
Hoffentlich fühlt sich jetzt niemand, der oder die wirklich arbeitet, vor den Kopf gestoßen, da ich von meinem privilegierten Roß aus über lächerliche Meetings meckere. Ihr seid spitze, ihr leistet so richtig was, ich schaue zu euch auf. Trotzdem mag ich meckern, und für viel mehr als das habe ich leider auch keine Gedanken übrig gerade.
Peace out ihr Mäuzze 😈
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Warum denn nicht Schatz?
Holger ist fuchsteufelswild. Er reißt Sabine das Handy aus der Hand, tut so, als würde er es durchs Parkhaus werfen und sagt bestimmt: “Wenn du so redest, können wir das Ganze auch gleich sein lassen”. Sabine blickt ihn durch ihre toten Augen an und streckt ihre Hand aus. “Gib mir das Handy und hör auf mit dem Scheiß”, sagt sie. Wenn Holger jetzt kleinbeigibt, das weiß er zu hundert Prozent, wird Sabine das immer wieder machen, auf seinen Gefühlen herumtrampeln und mit ihren Kollegen schlafen. Er steigt ins Auto und tut so, als würde er den Motor starten. Sabine verschränkt die Arme, atmet tief aus und rollt mit den Augen, immer diese ganze Dramatik, Holger ist so ein Weichei, denkt sie. Derweil legt Holger den rechten Arm um die Kopfstütze des Beifahrersitzes, er versucht es zumindest, seine Schulter spielt nicht ganz mit. Traurig guckt er nach hinten und sieht Sabine durch die Heckscheibe. Sie sieht aus wie ‘78, als sie sich verliebten, beziehungsweise als er sich verliebte, bei ihr weiß man nie so genau. Sabine zündet sich eine Zigarette an, den rechten Ellbogen auf die linke Hand gestützt, und durchbohrt Holger mit ihrem Blick. Ihr Gesicht fühlt sich ganz kalt an, bis ins Hirn steigt ihr der Frost, sie schüttelt sich leicht. Wie hat dieser Jammerlappen damals gegen Jeff um ihre Hand gewonnen? In keinster Weise erinnert sie sich an irgendeine Zeit, in der Holger attraktiv gewirkt hätte. Vielleicht hatte er mal, vor über zwanzig Jahren, nicht diesen beißenden Mundgeruch, aber Schmetterlinge hat sie noch nie empfunden beim Blick in sein dummes Kötergesicht. Wahrscheinlich habe sie ihn aus Mitleid geheiratet, sagte einmal eine Therapeutin, zu deren Sitzung ihre Chefin sie verdonnert hatte, weil sie mit dem neuen Azubi etwas ruppig umgegangen war. Diese scheiß Millennials sind so verweichlicht, fast so schlimm wie Holger. Mitleid kann es echt gewesen sein, Anstandsfick, Mitleidsheirat, Ärgerehe. Dieser platte Flaum auf seinem Kopf, dieses eklige Muttermal an seiner Wange, die Nasenhaare, die beim Reden flackern, seine dicken Finger, die immer rau sind. Seit Jahren kommt Sabine ihr Mageninhalt hoch, wenn sie zu lange an ihren Gatten denkt. Auf der Arbeit kann sie sich wenigstens ablenken; mit ihrem Kollegen Micha flirten; manchmal geht sie auch mit ihm aus. Sabine ist sich ziemlich sicher, dass Micha eher auf Männer steht (kann sie gar nicht verstehen, das ist doch widerlich), aber Holger regt sich immer so auf, wenn er versehentlich ihre Whatsappnachrichten liest, wenigstens passiert dann mal was in dieser Ehe. Holger sieht so verlassen aus, ganz versunken sitzt er da auf dem Fahrersitz, schaut durch den Rückspiegel zu ihr rüber und versucht, angsteinflößend zu wirken. Traurig, wie er durch sein Leben humpelt, dieser verletzte Hund, dieser stinkende, alternde Köter, niemand nimmt ihn ernst, niemand liebt ihn. Sabine tritt ihre Zigarette aus und steigt ins Auto.
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Luzie gibt auf
An einem kalten Morgen im Oktober sitzt Luzie auf ihrem freistehenden Balkon und pustet auf ihren kalten Kaffee. Die Miete ist bald fällig, das Katzenfutter ist leer, doch das beschäftigt Luzie nicht. Die Gesellschaft ist kaputt, denkt Luzie und zündet sich eine Zigarette an. Alle schimpfen über “die da oben”, ziemlich abstrakt, aber irgendwie auch cool. Das zeigt, dass man sich Gedanken macht und einem Dinge noch etwas bedeuten. Ihr Kumpel Johannes zum Beispiel, der macht sich ungeheuer viele Gedanken, deshalb war er auch für sechs Monate in Südamerika und hat verletzte Tiere gepflegt. Da nimmt man auch mal einen Schlangenbiss in Kauf, hat Johannes gesagt, dafür tut man ja auch was Gutes. Luzie hat ein komisches Gefühl im Bauch, aber das ist sicher nur ihre eigene Unsicherheit, vielleicht ist sie auch neidisch auf Johannes, der hat wenigstens was geleistet. Luzie leistet nichts, sie ist nicht systemrelevant und ziemlich dumm. Zu dumm um zu studieren jedenfalls, das haben ihre Eltern immer gesagt und später auch ihre Lehrer. Deswegen arbeitet Luzie an der Kasse einer Tankstelle und sie ist damit zufrieden, denn so hat sie wenigstens was zu tun. Lernen liegt ihr nicht, weil das hat mit Nachdenken zu tun und das kann Luzie nicht. Früher in Mathe hat sie manchmal angefangen zu weinen, weil sie das mit den Brüchen nicht verstanden hat, und dann hat sie Nachhilfe bekommen, aber die Brüche hat sie trotzdem nicht verstanden. Zum Glück gibt es schlaue Menschen wie Johannes und ihre Freundin Maja, die halten die Welt am Laufen, indem sie nachdenken und lernen und ihr Wissen zusammenfassen und im Internet posten. Luzie ist ja auch Bestandteil der Gesellschaft, sie sorgt dafür, dass Autos und LKW vorankommen, weiterfahren können, dass Familien Urlaub in Polen machen und die Bäckereien jeden Morgen frische Brötchen verkaufen können, das ist ja auch schon mal was. Beim letzten Familienessen erzählte ihr Cousin, dass er jetzt Salesmanager sei, und alle waren beeindruckt. Wenn’s um die Arbeit geht, da beschwert Luzie sich nicht, aber sie prahlt auch nicht, sie lächelt, isst Omas Braten und schweigt. Das Reden überlässt man denen, die Ahnung haben, und Ahnung hat Luzie nicht. Schlaue Menschen lesen Bücher, Luzie malt vorm Fernseher. In ein paar Jahren wird sie Hausfrau und Mutter sein, nebenbei an der Tankstelle arbeiten und es wird sie erfüllen, denn dafür wurde sie geboren.
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katzenzimmer
hey und hallo aus meiner beendeten quarantäne (ich weiß aber nicht, wo ich hin soll außer einkaufen, deshalb habe ich seit 9 tagen niemanden außer meiner mitbewohner gesehen).
dass die sonne scheint nehme ich mittlerweile als gegeben hin, aber wenn sie wieder weg ist wird mich das zutiefst treffen und meine gehirnchemie wieder durcheinanderwüfeln. wie schön, dass wir keinen einfluss auf sie haben! mommy sonne bitte bestrahle mich noch ein wenig für die kleinen stromschläge im kopf die mir freude bereiten!
mein gehirn. funktioniert immer noch nicht gut, ich kann mich nicht wirklich konzentrieren und vergesse ständig wörter. deshalb traue ich mich auch noch nicht, mich wieder an die vorbereitung für meine hausarbeit zu setzen und mache stattdessen alles andere, das irgendwie ansteht. ich habe sogar überlegt, unseren raum der schande, das „katzenzimmer“, manchmal auch „wäschezimmer“ genannt, aufzuräumen. es ist das kleinste zimmer der wohnung, auf dem grundrissplan war es als kinderzimmer eingezeichnet, aber wir haben keine kinder nur katzen, deshalb wollten wir daraus ein katzenzimmer machen. hat so semi geklappt; die katzen halten sich hauptsächlich darin auf weil man a) auf die belebte straße schauen kann, b) ein kissen auf dem regal liegengelassen wurde, das nun als bett dient und c) so viel zeug rumsteht, dass man sich dort prima verstecken kann (vorausgesetzt man ist so klein wie eine katze). dort steht ein sofa, auf dem gewaschene, aber nicht sortierte klamotten liegen, alles ist voller katzenhaare, da dort niemand jemals sauber macht, ein expedit regal erinnert an den versuch, den inhalt des raumes zu ordnen, auf einem dreckigen teppich steht immer ein voll behangener wäscheständer und in den vier ecken des raumes liegt ZEUG. zeitungen (kann man als geschenkpapier wiederverwenden), dreckige kuscheldecken (müsste man nur mal waschen, dann wären sie perfekt für die couch), leere leinwände und malerutensilien (vielleicht wird eine:r von uns ja noch künstler:in), sogar eine staffelei liegt dort. achja und nicht zu übersehen: eine ansammlung von glasflaschen und gläsern, die man nur zum altglascontainer bringen müsste. hab ich zuletzt an silvester gemacht, es hat sich schon wieder so viel angesammelt, dass es unmöglich ist, das alles ohne auto zu entsorgen. meine inliner liegen dort auch (ich fahre bestimmt bald mal wieder), ein paar schuhe (vielleicht tragen wir die ja noch, wenn der richtige moment kommt). unsere heißluftfritteuse steht auf dem regal, außerdem eine katzenbox (für tierarztbesuche), ein katzentunnel (vor dem die katzen angst haben), blumentöpfe aller größe, alte blumenerde, merkwürdige stahlkonstruktionen (vermutlich für befestigung von pflanzen auf dem balkon) und ein großer karton voller katzenstreu. jedenfalls hatte ich überlegt, mich mal um das zimmer zu kümmern. die motivation fehlt mir natürlich trotzdem. aber vielleicht, vielleicht, da die rheinbahn streikt und ich sowieso nicht wegkomme, kümmere ich mich da drum. morgen.
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Corona Pause
Ich war lange weg, sorry dafür, aber kennt ihr bestimmt, ich habe alles mögliche prokrastiniert. Dann war Karneval, dann habe ich überraschenderweise direkt nach Karneval Corona bekommen und lag die letzten paar Tage flach. Mir geht’s immer noch nicht gut, aber gut genug, um aufrecht vorm Laptop zu sitzen und euch ein kleines Update zu schneidern.
Uni läuft okay, prokrastiniere wie gesagt viel und hoffe, dass ich morgen ne Krankschreibung bekomme, damit meine Deadline für die Hausarbeit verlängert wird. Kann mich mit Covid-Hirn noch weniger auf die Texte über Moralphilosophie konzentrieren als in meiner Bestform, daher kommt mir das ganz gelegen.
Ich war vor Karneval bei der Releaseparty vom defragzine und es war mega! Habe mir auch eine Ausgabe gekauft und bin überwältigt von den tollen Texten darin. Habe noch nicht alles durch, aber mein Favorit bisher ist Rememory von Lisa Tracy Michalik.
Ansonsten habe ich nicht mehr viel im Kopf von dem, was ich gemacht habe. Meine Träume scheinen mir mehr Realität als das, was ich im Wachzustand erlebe. Ich versuche, die Bettruhe zum lesen zu nutzen, aber mein Gehirn spielt nicht so ganz mit. Deshalb habe ich Serie nach Serie geguckt die letzten paar Tage. Ich bin zwar ein Mensch, der immer müde ist und schlafen will, aber ich kann echt nicht gut chillen. Ich will immer irgendwas machen, habe ständig ein Kribbeln unter der Haut (keine Krätze, versprochen) und muss mich bewegen, Dinge erledigen, putzen, irgendwas. Wenn das nicht geht, werde ich unruhig und unbequem. Also besser für meine Mitbewohner, dass nur meine Katze mir Gesellschaft leisten durfte. Seit Dezember bin ich das vierte Mal bettlägerig und es neeeeeervt mich so. Bin froh, wenn der Winter vorbei ist und man nicht jedes Mal nachdem man draußen war und Spaß hatte krank wird.
Naja, ich leide dann mal weiter vor mich hin (esse Pfannkuchen, die mein Mitbewohner gemacht hat und gucke Bobs Burgers).
Haut rein, bis (hoffentlich) bald :-*
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Sirenen
Knöchel war schon lange nicht mehr auf See, sondern hatte sich in einer kleinen Holzhütte in der Nähe vom Strand niedergelassen. So richtig heimelig wurde es für ihn nie, denn Knöchel fühlte sich nur auf dem Meer zuhause. Durch die von Würmern ins dunkle Holz gefressenen Löcher und Gänge blies immer ein wenig Wind in den Wohnraum, was dem Seemann gefiel, da es sich fast wie auf dem Schiff anfühlte. Es war eine Nacht im November, der Wind ließ die kleine Hütte knarzen, das Feuer im Inneren knackte, und Knöchel hatte einen Topf heiße Kartoffelsuppe auf dem Gasherd. Die Freigängerin Kille, die es sich sonst nicht nehmen ließ, durch die Dünen bis hin zur Küste zu streunen, lag träge auf einem Schafsfell vorm offenen Kamin. “Da geht mir doch gleich das Feuer aus”, stöhnte Knöchel in Killes Richtung, “ich geh mal eben neues Holz holen.” Seine schweren Stiefel erzeugten kleine Wellen auf dem Boden, die Kille müde aufschauen ließen. Die Katze war ihm eines Tages zugelaufen und nie wieder abgehauen. Wie fast alle Katzen hielt sie nicht viel von Wasser und erst Recht nicht vom offenen Meer. Gelegentlich brachte sie einen toten Krebs mit nach Hause, aber Knöchel war sich immer sicher, dass die Krebse bereits tot am Strand gelegen hatten, denn Kille war keine große Jägerin. Knöchel schloss die Tür hinter sich und Kille legte ihren Kopf wieder auf ihrem sie umwindenden Schwanz ab. Die Kartoffelsuppe, die bisher friedlich vor sich hin geköchelt hatte, begann zu blubbern, was Kille erneut aufschrecken ließ. Mit angelegten Ohren schaute sie Richtung Tür, wo ein Schatten entlang huschte, deren Bewegungen sie mit den Augen verfolgte. Durch die Türritze war er aufgetaucht, dann nach oben bis zur Decke, die Balken entlang, für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar, doch die Katze bewegte ihren Kopf weiter, zum ersten Fenster, die Wand hinunter bis auf Knöchels Bett, unter dem der Schatten sich schließlich verkroch. In dem Moment flog die Haustür auf. Kille rannte auf den Schatten zu, den sie für Knöchel hielt, und geradewegs durch ihn hindurch. Draußen stand Knöchel gerade vor seinem improvisierten Holzlager und überlegte, ob fünf oder sechs Scheite auf seine altersschwachen Arme passten. Als er sich mit sechs Holzscheiten beladen umdrehte, erschrak er, “Was machst du denn hier draußen Kille, es is’ doch viel zu kalt, geh schon rein”, fluchte er. Als die beiden durch die Türschwelle hindurch waren, drehte Knöchel sich mit zusammengekniffenen Augen um; er hatte gedacht, die Tür geschlossen zu haben. Dann knallte diese zu. “Ganz schön usselig, wah”, sagte er daraufhin, “wir machen’s uns jetzt schön hier, Kille.” Die Katze schnurrte und wanderte um seine Beine herum, schmiegte sich an ihn und miaute leise.
Das Feuer loderte jetzt wieder hell, die Kartoffelsuppe war bis zum letzten Tropfen ausgelöffelt und Knöchel saß mit einer Wolldecke auf dem Schoß, auf der wiederum Kille lag, auf seinem roten Sessel und las. Er wäre wohl beim Lesen eingeschlafen, wenn die Katze nicht plötzlich unruhig aufgeschaut und geknurrt hätte. “Was hast du denn?”, fragte Knöchel seinen kleinen Liebling. Kille fixierte einen Schatten an der Tür, der sich langsam auf die beiden zubewegte. Knöchel streichelte ihr über den Kopf, doch sie ließ sich nicht beruhigen, sprang stattdessen von seinem Schoß und lief zur Tür. Knöchel, in der Dunkelheit doch sehr kurzsichtig, griff nach seiner Brille auf dem Kaminsims und nahm sich den Kerzenleuchter, der daneben stand. “Da is’ doch nichts, Kille”, sagte er ruhig. Trotzdem ging auch er zur Tür, öffnete sie und trat hinaus. “Hallo?”, rief er in den Nebel, der sich stets gegen Mitternacht einstellte. “Siehste, nix, hab ich doch ge-” -”Hallo!” Knöchel erstarrte und Kille versteckte sich hinter seinem Bein. Aus Richtung des Wassers erklang eine helle Frauenstimme. “Wer is’ da?”, rief Knöchel, kniff die Augen zusammen und hielt den Kerzenleuchter am langen Arm von sich gestreckt in die Dunkelheit. “Hallo”, erklang es wieder, “komm näher, ich brauche Hilfe”. Kille lief in die Sicherheit des warmen Hauses und erwartete, dass ihr Seemann dasselbe tat. Doch Knöchels Beine traten Schritt für Schritt weiter in die Dunkelheit, bis seine Silhouette im Nebel verschwand. Kille blieb auf der Türschwelle sitzen und peitschte aufgeregt mit dem Schwanz von links nach rechts auf die Holzdielen. “Wo bis’ du denn, die Hilfe braucht?”, rief Knöchel Richtung Meer. “Hier, noch ein Stückchen”, sang die liebliche Stimme, “gleich hast du’s geschafft”. Knöchel ging weiterhin Schritt nach Schritt, doch der Nebel wurde so dicht, dass er nicht mal mehr seinen Arm samt Kerzenleuchter sehen konnte. Lediglich die drei Flammen winkten ihm zuversichtlich zu. Der Nebel war gar nicht kalt, wie ihm nun auffiel. Er schien ihn zu wiegen, zu umarmen und zuzudecken. Knöchel roch Schwefel und den beruhigenden Duft von brennendem Holz. Er schaute auf den Boden und konnte seine Füße nicht mehr erkennen. Als er wieder aufsah, bließ ihm eine Schwade heißer Luft gegen das Gesicht und er taumelte nach hinten. Um ihn herum wog es sich, die Luft schien sich zu verbiegen und wärmere und kältere Ströme wandten sich um ihn. Knöchel wankte ein wenig, doch er lächelte. Er hörte ein Akkordeon spielen und dann die tiefe Stimme seines Kollegen Uli, die ein Lied anstimmte, das er beinahe vergessen hätte.
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Sick Days
Ich bin seit vier Tagen krank und habe dementsprechend mehr Zeit, aber weniger Gehirn für Heimaufgaben. Ich frage mich mittlerweile echt, wie meine KommilitonInnen mit echten Jobs überleben, ohne den Verstand zu verlieren und durchgehend vor Stress zu heulen. Ich schätze sie sind built different, oder ich bin einfach nur lebensunfähig. Seit ich nicht zur Uni gehe (Dienstag) habe ich mein Zimmer geputzt, die Katzenklos sauber gemacht, zwei Abgaben für die Uni gemacht, eine Geschichte geschrieben, meine anderen Geschichten nach brauchbarem Material durchforstet, diese hier gefunden, mein Bett neu bezogen und sogar endlich mal Wäsche gewaschen. Achja, und einen 5 Liter Müllsack mit Taschentüchern gefüllt. Erfolgreiche Woche würd ich sagen. Eigentlich wäre ich jetzt gerade gerne in der Uni, in meinem Lieblingsseminar, aber ich kann mir nicht vorstellen in meinem Zustand 80 Minuten U-Bahn zu fahren und 30 Minuten von der Haltestelle zum Seminarraum und zurück zu laufen. Zeitweise wünsche ich mir meine Arbeitslosigkeit zurück, aber das ist einfach nur die Antriebsstörung bedingt durch Jahreszeit und Stress. Alte Lieder von Mac Miller hören macht das alles auch nicht besser, aber für das süße Gefühl der Nostalgie durchleide ich gerne den mit seiner Stimme verbundenen Herzschmerz.
Bald ist Weihnachten!! In einer Woche. Heute habe ich ein Geschenk gekauft (online) und außer den Temperaturen und der Eisschicht, die, soweit ich das sehe, draußen alles bedeckt, fühlt sich irgendwie nichts nach Weihnachten an. Vermutlich ist das der Unistress… 😡
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Top 3 der schlechtesten ersten Dates
„Warte auf mich“, ruft Juliette, während sie die Schnürsenkel ihres linken Schuhs bindet. Anne ist bereits im Treppenhaus, die Tür knallt zu. Juliette sinkt an der Wand entlang zu Boden. Immerhin nicht das schlechteste erste Date, auf dem sie je war, aber sicherlich in den Top 3. In ihrem Kopf flimmern die letzten dreißig Minuten rauf und runter, mit dem unmöglichen Auftrag, den Fehler zu finden. War sie wieder zu nett? In ihrem Gedächtnis ist nichts zu finden, das sie verkackt hätte, diesmal lief alles wie mit diversen Freund:innen und ihrem Therapeuten besprochen; kein Stammeln, keine frechen Fragen, sie war sogar heute Morgen duschen! Juliette geht zum Küchenfenster und schaut raus. Da unten steht sie, vielleicht lässt sie sich ja doch noch überreden, gemeinsam zum Tanzabend zu gehen. Juliette tippt eine Whatsappnachricht und löscht sie wieder. Als sie ihre Wangen heiß und ihre Augen feucht werden spürt, öffnet sie den Kühlschrank, um sich ein Glas Eistee einzuschenken. „Das war mal wieder scheiße“, sagt sie zu ihrer Schildkröte, die dort drin auf einer Salatschale sitzt und eine Gurke beknabbert.
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1111
Super ewig nicht mehr gemeldet, weil die Uni angefangen hat und ich erst wieder lernen muss, mit so viel Stress umzugehen. Das Leben ist funky und macht meistens Spaß, aber ich bin oft super erschöpft und brauche viel mehr Zeit für mich als ich je gedacht hätte. Mir fällt auf, wieviel introvertierter ich mit den Jahren geworden bin und wie wenig socializen ich aushalte, ohne körperliche Schmerzen zu bekommen. Zum Beispiel hatte ich in der letzten Woche zwei mal Migräne, obwohl ich das sonst super selten habe! Und ich habe zwei mal meinen Nacken verknackt, erst die rechte, dann die linke Seite.
Gute Nachrichten sind aber, dass ich jetzt wieder in einer Schreibwerkstatt bin und alle zwei Wochen eine Deadline für einen neuen Text habe! Die erste Deadline hab ich knapp verpasst und für die nächste sollen wir eine Gruselgeschichte schreiben, was ich noch nie gemacht habe, also mal sehen…
An Halloween war ich als meine Katze Jamal verkleidet und eine Freundin hat mich dazu passend geschminkt. Es gab Altbierbowle und Horrorgeschichten von Operationen. Aber weil wir alle so introvertiert und langweilig sind, war die Party schon vor Mitternacht vorbei und wir sind alle nach Hause gefahren. Am nächsten Tag habe ich dann so viel geschlafen, als wäre ich wirklich meine Katze und kam überhaupt nicht aufs Wachsein klar. Die low-energy-phase wurde eingeleitet und ich muss aufpassen, dass ich überhaupt noch genug wach bin, um meine To Dos abzuarbeiten. Die Kälte draußen (und vor allem drinnen, ich hab das Gefühl in der Wohnung ist es noch kälter??) macht es auf jeden Fall nicht einfacher, das Bett zu verlassen. Diese Woche habe ich glaub ich mehr Uni geschwänzt als teilgenommen.
Heute ist der 11.11. und ich habe alle Karnevalmuffel dazu überredet, was zu starten, bin jetzt aber am unmotiviertesten von allen. Also zwinge ich mich gleich mal, mich fertigzumachen und bete, dass morgen kein Migräneanfall droht.
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weisst.du.schon
Erkältete Füße in Wollsocken verpackt, trotzdem eiskalt, man darf ja nicht mehr heizen sagen die da oben, unter einer nach Weichspüler duftenden Frottee-Bettdecke höre ich Musik, die ich nur höre, wenn ich wahnsinnig werde, und tippe wie wild auf die Tastatur meines Laptops ein. Immer wieder kehrt mein Kopf zurück zu Themen, die ich vermeiden will, dabei gibt die Musik, die aus einer pinken JBL Box tönt, sich alle Mühe, jegliche Gedanken aus diesem Zimmer auszusperren. Mein fucking Zimmer für mich ALLEIN. Zu allem Übel kommt meine Mitbewohnerin gleich nach Hause, um mir von ihrem Getaway in den Harz zu erzählen. Ein Glas Wein wird mir vermutlich dabei helfen, Interesse zu heucheln, aber meine Welt ist das nicht, der Harz, ich bin nicht mal Hartz, ich bin nur Substanzmissbrauch und ALG2. Seit meinem Nervenzusammenbruch vor zwei Jahren konnte ich einiges reparieren, aber habe auch Seiten meiner Selbst verloren, die ich jetzt gut gebrauchen könnte, zum Beispiel die Seite, die es juckt, wenn Bekanntschaften über sich selbst reden. “Da musst du jetzt durch”, zwinkert meine Katze mir vom Fußende des Bettes zu und ich weiß ja, dass sie Recht hat. Also ziehe ich die Bettdecke zur Seite, schiebe meine Füße ins kalte Dunkel und stehe auf. Ein kurzer Blick in den Standspiegel erschüttert mich; in den Spiegel gucken wollten wir doch meiden, ich sehe durchgekaut aus. Die Musik abzustellen übertrifft meine Kompetenzen, deshalb lasse ich den Sänger mit der kratzigen Stimme weiter in den leeren Raum hinein schreien. Ich schaue um die Ecke in den Flur, niemand da, und husche in die Küche. Ein Glas ist zu gut für mich, ich trinke direkt aus der Weinflasche. Saure, brennende Schlucke füllen meinen Magen, der das so gar nicht abkann in letzter Zeit, aber mir egal, ich brauch das jetzt. Dem Kühlschrank entnehme ich noch die angebissene Riesensalami, dann schlurfe ich ins Wohnzimmer, in dem es auch extrem kalt ist; zwei-Kuscheldecken-übereinander-kalt. Kurzer Check, ob ich meinen Atem sehen kann: das immerhin noch nicht. Hier sitze ich jetzt im Dunkeln und warte auf meine Mitbewohnerin, die laut der Stalking-App “Wo ist?” noch 31km entfernt auf irgendeiner Autobahn im Ruhrpott ist. Wenn ich schon mal da bin, stalke ich eben alle meine verknüpften Kontakte durch, was sich als blöde Idee herausstellt, da es im Magen sticht und sogar mein Herz sich unangenehm regt. In letzter Zeit bereue ich es oft, mit meiner Ex-Freundin Schluss gemacht zu haben, aber ich denke, ihr geht es mittlerweile so gut damit, dass eine Kontaktaufnahme noch egoistischer wäre als der Akt des Schlussmachens es war. Bei unserem ersten Treffen haben wir so viel gelacht, dass wir weinen mussten, als wir einen alten italienischen Horrorfilm im Programmkino anschauten. Auf dem Heimweg schickte ich ihr ein selbstgemachtes Meme aus der U-Bahn, um sie zu testen. Den Test bestand sie leicht, indem sie mir ein Meme zurückschickte. Die gesamte Kennenlernphase verarbeiteten wir mit Memes, und auch das Schlussmachen und die Liebeskummerphase wurden so bewältigt. Einmal saßen wir in einer kleinen Kneipe, in der man eigene CDs abspielen durfte, an einem Tisch mit einigen KokserInnen auf ganz nah aneinandergeschobenen Stühlen, ihre rechte Hand auf meinem linken Knie. Berauscht vom Contact High, dem schalen Pils und der anfänglichen Verliebtheit, stand ich grinsend an der Bushaltestelle, als es Zeit war, nach Hause zu fahren. Ihre winzigen Hände waren immer kalt, deshalb hab ich sie immer mit meinen Spinnenfingern festgehalten. An Karneval gingen wir beide als Märchenprinzessin, klebten uns gegenseitig Wimpern auf und küssten uns heimlich am Rande des Dorfplatzes, weil meine halbe Familie homophob ist. Wenn es mir nicht gut ging, durfte ich in ihrem Bett liegen und auf ihrer Leinwand Animal Crossing spielen, während sie mir Matcha Latte und Kartoffeln kochte. Bei einem Ausflug zu ihren Eltern liefen wir händchenhaltend durch eine Großstadt in Rheinland-Pfalz, aßen vegane Burger und fühlten uns wie der erste und letzte Punkt des Universums. Dort kaufte sie mir in einer Buchhandlung, die auch ein Café war, hinter meinem Rücken das schönste Set Tarotkarten, das ich je gesehen hatte. Im Frühling, als ich schon nicht mehr verliebt war, lagen wir zusammen auf einer Wiese am Rhein und alles war schön. Als ich nicht mit ihr reden, sondern in Ruhe lesen wollte, erzählte sie mir immer wieder Geschichten, die ich schon kannte und meine Gefühle reichten nicht aus, ihr das durchgehen zu lassen. Auf einer Party, auf der es ihr nicht gut ging, fiel es mir sehr schwer, bei ihr zu sitzen, weil ich mich viel lieber weiter mit den anderen Gästen unterhalten hätte. Als ich schon wusste, dass ich das bald beenden würde, gingen wir mit meiner Schwester Cocktails trinken und ich hatte sehr schlechte Laune, weil sie dabei war. An dem Tag, als meine Genervtheit den letzten Funken Zuneigung überspielt hatte, setzten wir uns auf eine Steintreppe und führten das unausweichliche Gespräch. Obwohl ich dachte, dass Lesben es schaffen, befreundet zu bleiben, nachdem sie gedatet haben, sahen wir uns danach nur zwei Mal wieder, beide Male ungeplant und unangenehm. Seitdem weiß ich, wieviele rothaarige Frauen mit Locken es in meiner Stadt gibt. Meine Mitbewohnerin steht vor mir mit einer Tüte Mitbringsel aus dem Harz und ich halte die Luft an, um hier und jetzt zu Ersticken. Klappt natürlich nicht, aber sie verschont mich mit Geschichten von ihrem kleinen Ausflug, weil meine Unhöflichkeit unübersehbar ist.